Wo Schweiß fließt und Haut gezeigt wird, darf Sauberkeit nicht fehlen. Doch wie steht es um die Hygiene in Fitnessstudios wirklich: reinstes Vergnügen oder einfach nur eklig?
Eine kleine Umfrage in der Redaktion, keinesfalls repräsentativ, aber unschön: „Was war das Ekelhafteste, was euch im Fitnessstudio je begegnet ist?“
Nach einigen Albernheiten über unerträgliche Toilettengerüche wird es ernst. „Haare und abgeschnittene Fußnägel, miteinander verknotet im Abfluss.“
„Schweißig glänzende Hand- und Fußabdrücke und Salzkristalle auf der Yogamatte.“ – „Ein Schild in den Duschräumen, auf dem ausdrücklich darum gebeten wurde, Intimrasuren zu unterlassen. Man kann sich deutlich vorstellen, was da passiert ist, bis es aufgestellt wurde.“
Wahrscheinlich erinnerst du dich auch an mindestens einen Ekel-Fund. Diese Schilderungen können Einzelfälle sein. Vielleicht spiegeln sie aber auch deutsche Normalität wieder?
Denn Tatsache ist: Niemand weiß es so ganz genau. Zwar sind mehr als elf Millionen Deutsche Mitglieder in einem der gut 9300 Fitnessstudios – Tendenz steigend. Trotzdem existiert keine bundesweite Untersuchung darüber, wie es um die Reinlichkeit vor Ort bestellt ist.
Weder das Bundesministerium für Gesundheit noch der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen haben dazu Untersuchungen oder Daten vorliegen.
Grund genug, sich genau mit der Frage zu beschäftigen: Wie hygienisch geht es in Fitnessstudios wirklich zu?
Hygiene – nach Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO – enthält jene Bedingungen und Handlungen, die die Gesundheit erhalten sowie die Ausbreitung von Krankheiten verhindern, oder knapper: die Infektionen vorbeugen.
Ein bewährtes Kriterium für die Gefährdung ist die Zahl der Keime, die auf Crosstrainer, Hantel oder Ruder-Ergometer zu finden sind. Immer wieder erscheinen Studien, die belegen, wie keimverseucht die Studios sind.
Eine fand an 75 Prozent aller Geräte das Bakterium Staphylokokkus aureus, das beim Menschen Furunkel und Muskelerkrankungen hervorrufen kann, in ungünstigen Fällen auch Lungen- oder Brustdrüsenentzündung.
Der Fitnessblog ellipticalreviews.com, einem Gerätehersteller gehörend, nahm Proben von Hantel, Yogamatte und einem Handlauf aus Holz. Auf der Hantel wurden 153.000 Bakterien pro Quadratzoll (ca. 6,5 cm2) gefunden.
Von einer „Ekel-Studie“ schrieb das Magazin GQ: „Hygiene im Gym schlimmer als auf der Toilette“. Auf einem Toilettensitz finden sich auf vergleichbarer Fläche nämlich 3.200 Bakterien.
Die härtesten Beispiele: Die US-amerikanische National Sanitation Foundation (NSF) fand an Wasserhähnen, insbesondere an denen freistehender Spender, 2,7 Millionen Bakterien pro Quadratzoll, inklusive E.coli-Bakterien und Legionellen – Auslöser von Durchfall oder grippeartige Beschwerden.
Eine andere Analyse aus Malaysia kam zum Ergebnis, dass bei schlechter Lüftung bzw. Filterung durch die Klimaanlage gerade während der hoch frequentierten Stunden eine zu hohe CO2-Belastung sowie hohe Infektionsrisiken von Grippe bis Tuberkulose bestehen.
Last, but not least: In 95 Prozent der von ihnen untersuchten Whirlpools fanden Mikrobiologen in Austin, Texas, Fäkalbakterien, in 81 Prozent Pilze.
Ein Löffel des Whirlpool-Wassers erreichte die Zahl von 2,17 Milliarden Bakterien. Zum Vergleich: Ein Löffel Leitungswasser kommt auf maximal 138 Bakterien.
Alle Horrorstudien sind jedoch nur bedingt aussagekräftig. Zum einen stammen sie nicht aus Deutschland, sodass die hygienischen Verhältnisse nicht eins zu eins übertragen werden können. Zum anderen behandeln sie oft Einzelfälle.
Außerdem handeln sie oft mit alarmistischen Vergleichsgrößen. „Schlimmer als auf einer Toilette“ klingt dramatisch, löst auch sofort Bilder im Kopf aus – ist aber halb so wild.
Selbst der WDR, der in Kölner Fitnessstudios Proben nahm, fand auf einer öffentlichen Toilette: nichts. Denn das WC ist selten der schmutzigste Ort in einer Wohnung.
Kühlschrank oder Tastatur sind deutlich bessere Nährböden für Bakterien und Keime als der glatte, trockene Toilettensitz. Ganz weit vorn: der Spüllappen oder -schwamm.
Nichtsdestotrotz trifft man beim Sport auf mikroskopisch winzige Gesellen, die im Körper für Ärger sorgen können.
Grundsätzlich herrsche aber „für Gesunde im Fitnessstudio keine größere Gefährdung als in vergleichbaren öffentlichen Räumen, etwa einem Kino oder einem Schwimmbad“, sagt Dr. Ernst Tabori, Ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene in Freiburg.
Wie wohl sich die Bazillen und Viren fühlen, hängt auch vom jeweiligen Raumklima ab. Gyms bieten oft nicht nur warme Luft, sondern – dank Pools, Duschen, tieferer Atmung und vermehrtem Schwitzen – auch feuchte. Diese Umgebung schätzen Krankheitserreger, in ihr vermehren sie sich explosionsartig.
Das wissen auch die meisten Betreiber der Studios. Sie sind sich darüber hinaus im Klaren, dass Hygiene ein entscheidendes Kriterium für die Wahl ihres Studios ist, haben also ein ökonomisches Interesse an Reinlichkeit.
Nach einer repräsentativen Studie war zwar für 46 Prozent „der Preis das Wichtigste“, fast gleichauf nannten aber 44 Prozent „Sauberkeit“.
Der Wert überrascht weniger, wenn man weiß, dass sich die Bedeutung der Fitnesscenter wandelt.
Natürlich steigen viele der Mitglieder nach wie vor ins Hamsterrad der Optimierung, um fit für die Leistungsgesellschaft zu sein. In der Welt von Instagram kommt der entsprechende Schuss Eitelkeit dazu.
Vergleichsweise neu sind Gesundheitsangebote für unterschiedliche Zielgruppen – gerade Programme für Best Ager und Senioren boomen. Das Fachblatt 'Fitness Management International' bezeichnete Kunden jenseits der 50 als zweitgrößten Fitnesstrend 2019.
Auf hohe Qualitätsstandards und individuelle Betreuung legen genau diese Kunden Wert. Manja Wiesner, diplomierte Sportwissenschaftlerin und Trainerin in Eschborn bei Frankfurt am Main, sagt: „Die Ansprüche der Teilnehmer steigen meiner Erfahrung nach mit den Teilnahmegebühren und dem Standort.“
Der DSSV, der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen, schuf schon vor Jahren die Voraussetzungen für eine DIN- Norm. Als weltweit erste Regelung dieser Art trat sie 2013 in Kraft.
An ihrer Erstellung waren u.a. die Stiftung Warentest, Zweigstellen des TÜV sowie Berufsgenossenschaften und Krankenkassen beteiligt.
Allerdings sind die Hygienevorschriften recht lax formuliert: „Trainingsräumlichkeiten sind regelmäßig im Ermessen des Betreibers zu reinigen“, heißt es in der Norm 33961. Wie oft ist „regelmäßig“?
Auch macht der DSSV auf seiner Homepage klar, dass die Selbstregulierung darauf abzielt, „keinen Anlass für Fremdregulierung durch [...] den Gesetzgeber“ zu geben.
Verbandssprecher Alexander Wulf räumt zudem ein, dass eine Zertifizierung nach der DIN-Norm nicht verpflichtend sei und es „praktisch gesehen möglich wäre, sich als Studio die Einhaltung der DIN-Norm 33961 selbst zu bescheinigen.“
Die großen Fitnessketten wurden von FIT FOR FUN zum Thema befragt. Denjenigen, die antworteten – Clever Fit, Injoy und Holmes Place hielten sich vornehm zurück – reicht die DIN-Norm nicht aus.
Ob Fitness First, Kieser, McFit oder Meridian Spa – nach eigener Aussage übererfüllen sie die Auflagen bzw. haben eigene entwickelt.
So checke Fitness First täglich vor der Öffnung die zuvor ausgeführte Unterhaltsreinigung, zudem gebe es neben dem Personal externe Berater, die bei Bedarf hinzugezogen würden.
In den Meridian Spa sei neben der täglichen Reinigung „nahezu ganztägig ein(e) Mitarbeiter(in) vor Ort“.
McFit reinige Sanitärräume und Barfußbereiche täglich mit bakteriell-, virus- und fungizid- wirksamen Flächendesinfektionsmitteln.
Kieser wiederum halte seine Franchise-Nehmer an, täglich auch Sanitärbereiche sowie Maschinenpolster zu desinfizieren, der geölte Holzfußboden erfordere zudem eine spezielle, schonende Pflege.
In bestimmten Studios gelten darüber hinaus verschärfte Bekleidungsregeln. Meridian Spa sorgte im Februar 2019 für Wirbel in der Boulevardpresse, weil das Unternehmen für alle Orte mit Ausnahme der Sauna die Bedeckung des Intimbereiches anordnete – „dem Wunsch nach mehr Diskretion“ nachkommend.
Bei Kieser solle wiederum nur in knielangen Hosen trainiert werden, um den Kontakt zwischen Maschinenpolster und Haut zu minimieren. Das entspringt eher einer Bauchgefühl-basierten Hygienevorstellung.
Denn aus rein hygienischer Sicht hält Dr. Tabori dies bei gesunden, immunkompetenten Menschen mit intakter Haut nicht für unbedingt notwendig: „Die normale Körperhaut stellt ja grundsätzlich eine wirksam schützende Barriere dar.
Solange sie intakt ist, nicht penetriert wird oder mit gefährlichen Substanzen in Kontakt kommt, schützt sie uns vor dem Eindringen von Bakterien.“
Die Haut verfügt über eine natürliche Keimflora, das sogenannte Mikrobiom, „deren Bakterien in Symbiose auf der menschlichen Haut leben und sogar verhindern, dass sich krank machende Keime auf ihr ansiedeln oder einnisten können“, sagt der Facharzt für Hygiene.
Außerdem sollte man keine Panik angesichts allgemein gehaltener hoher Keimzahlangaben haben, da die meisten Keime um uns herum nicht pathogen sind, also keine Krankheiten verursachen und in der Regel ungefährlich sind.
Der naive Wunsch nach Sterilität ähnele seiner Ansicht nach dem Prinzip, „alle Tiere für gefährlich zu halten. Bloß weil uns Löwen oder Haie ge- fährlich werden können, wird niemand das Meerschweinchen der kleinen Tochter gleich erschlagen wollen.“
Tier ist nicht gleich Tier und Keim eben nicht gleich Keim. Tatsächlich besteht der Körper eines „Mustermenschen“– männlich, 20 bis 30 Jahre alt, 1,70 Meter groß und 70 Kilogramm schwer – aus rund 30 Billionen Körperzellen.
Forscher vermuten, dass mindestens genau so viele Mikroorganismen auf und im Körper lebten, manche vermuten sogar die dreifache Menge. Und viele von ihnen sind für den menschlichen Körper überlebensnotwendig, etwa für die Verdauung.
Tausende, Millionen, Milliarden – geht es um Keime, fällt es oft schwer, eine Zahl richtig einzuschätzen. Ob du mit der Welt im Reinen bist oder dich hohen Belastungen aussetzt, zeigt dir unsere Übersicht.
Auch im Schweiß finden sich Keime nicht in überproportionalen Ansammlungen. „Mit Schweiß habe ich überhaupt kein Problem“, sagt Wiesner.
„Er ist doch der beste Ausdruck dafür, wie viel ich geleistet habe. Mit fremdem Schweiß ist es ähnlich. Wenn ich bei Korrekturen berühre, komme ich unweigerlich mit dem Schweiß in Berührung.
Feuchttücher sind für mich hier die Lösung, um meine Hände schnell zu reinigen, bevor ich die nächste Person anfasse. Alter Schweiß hingegen ist eine Belästigung: Kein Mensch muss stinken!“
Ekel ist tatsächliche keine objektive Kategorie, sondern eine subjektive. Die Fähigkeit zur Abscheu ist zwar angeboren, wird aber erst in den ersten Lebensjahren ausgebildet. Gerüche, die viele Erwachsene widerlich finden, etwa den Geruch von altem Schweiß, stören Kleinkinder nicht.
Die Abwehr auf Ungenießbares ist darüber hinaus abhängig von der jeweiligen Kultur. Nur ein Beispiel: Viele Chinesen ekeln sich extrem vor Menschen, die in ein Papiertaschentuch schnäuzen und es danach in ihre Hosentasche stecken.
Umgekehrt haben sie nicht das geringste Problem, öffentlich auf den Fußboden zu spucken. Vielleicht erklärt dies zu einem kleinen Teil, warum die Studien über krank machende Gyms sich nicht auf Deutschland beziehen.
Jedenfalls ist weder dem Statistischen Bundesamt noch dem DSSV ein deutsches Fitnessstudio bekannt, das aufgrund hygienischer Mängel geschlossen wurde.